Dienstag, 15. November 2011

Schwarzes Licht; Tödlicher Nebel!


Als ich das Zimmer betrat stieg beißender Rauch in meine Nase. Das Schwarzlicht der Notbeleuchtung erhellte nur spärlich den Raum. Die Betten waren leer. Wo sonst die Kinder spielen - gähnende Lehre. Die Küche schien fluchtartig verlassen worden zu sein. Überall schmutzige Schüsseln und sogar angefangene Teller. Mein Blick fiel sofort auf den offenen Sicherungskasten der ungewohnt schwarz aussah. Ich wusste, dass es gestern im 2. Stock kurz gebrannt hatte. Eine Steckdose war auf einmal beim Saugen explodiert. Schnell hastete ich dorthin die Treppe hinauf. Mein erster Blick fiel auf das Sofa wo sonst immer die chinesische Oma mit den Babys saß. Heute war es leer. Eine erdrückende Stille lag in der Luft. Eine Stille, die ich in den 3 Monaten hier noch niemals erlebt hatte. Irgendwo hörte ich ein paar dumpfe Schritte und Menschen sprachen hastig miteinander. Dann verstummte alles.

注意! -  ACHTUNG!
Auf einmal sah ich es. In der Mitte des Raumes, fast unscheinbar, stand die schwarz-rötliche Dose mit Giftgas. Hochkonzentriertes und auf jedes kleinere Tier tödlich wirkende Giftgas. Dahinter noch eine Dose, und weiter hinten noch eine. Die kleine Pfütze daneben lies darauf schließen, dass hier eine völlige Überdosis angewandt wurde.
Sofort ergriff ich panikartig die Flucht und stürzte mit angehaltenem Atem die Treppen hinunter zurück ins Freie. Trotz der vom Regen feuchten Luft spürte ich das starke Brennen in meiner Kehle. Ein Schwindelgefühl hüllte mich ein und ich beugte mich weit über den Balkon um möglichst viel unverseuchte Luft erhaschen zu können.
Auf einmal wieder Schritte, Stimmen. Ein alter Mann kam plötzlich mit vors Gesicht gehaltener Jacke rausgerannt. Ich erkannte ihn, es war unser Nachbar. Er schrie nur: "Nicht einatmen! Bloß nicht einatmen!!!" Suchte irgendwas in der Küche und rannte wieder zurück in den von grau waberndem Nebel durchzogenen Raum.
Ich war so überrascht, dass ich ihn nicht einmal hätte stoppen können.
Meine Knie waren weich Gummi. Ich setzte mich an den Rand der Brüstung und dachte nach. Warum hatte mir unsere Chefin nicht Bescheid gesagt? Warum sah alles so fluchtartig verlassen aus? Was hatte der offene Sicherungskasten zu bedeuten und vor allem, welche Rolle spielte dieser Mann dabei?
Fragen über Fragen, auf die ich in dem Moment einfach keine Antwort wusste. Er schien meine Hilfe nicht zu benötigen, sonst hätte er mich sicherlich dazu aufgefordert. Fragen konnte ich gerade auch niemanden. Selbst die sonst befahrene Straße war in diesem Moment völlig menschenleer. Nur auf den Balkons wurde Wäsche, vom Regen durchtränkt, vom Wind hin- und hergeworfen.
Ich spürte das mein Körper jetzt erstmal dringend Energie brauch. Schnell suchte ich mir aus der auf dem Balkon befindlichen (und somit höchstwahrscheinlich nicht vergasten - verzeiht mir den Ausdruck) Küche ein karges Mahl zusammen. Dabei überlegte ich. Da das Haus an den Berg heran gebaut war, gab es oben noch einen weiteren Eingang. Nur dort konnten die Stimmen hergekommen sein, denn im Haus konnte sich keiner mehr aufhalten.
Ich lief die Straße dorthin hinauf, als mir plötzlich eine Erwachsene aus unserem Haus entgegengestolpert kam. Ihr Keuchen konnte ich schon von Ferne hören. Sie starrte mich mit völlig blutunterlaufenen Augen und bleichem, eingefallenem Gesicht an und versuchte irgendwie zu sprechen, doch die Stimme versagte ihr. Stumm zeigte sie nur immer wieder panisch auf unser Haus und versuchte mich energisch davon wegzuschieben. (Das muss sehr komisch ausgesehen haben, hat mir in dem Moment jedoch eher Angst eingejagt.) Mit Zeichensprache erklärte sie, sie sei dort drinnen beinahe verreckt. Als sie dann versuchte den Namen meiner Chefin auszusprechen kam nur ein furchterregendes Krächzen aus ihrer Kehle.
Nun endlich griff ich zum Handy um eben jene anzurufen. Natürlich war mein Guthaben fast leer und die 1. Nummer besetzt. Als ich sie dann endlich sprach sagte sie nur: "Ja äh, du kannst heut später anfangen, sind keine Kinder da!" Als ich ihr von der armen Frau vor mir berichtete, da sagte sie nur verärgert, sie hätten versucht sie zu warnen und mitzunehmen, aber diese wollte partout nicht hören und blieb stur im Haus sitzen. Leider nimmt sie gegen jedes Verbot weiterhin Drogen und ist deshalb mental leider nur noch auf der Höhe eines Kindes. Ich wollte sie auf dem Gepäckträger ins naheliegende Krankenhaus zu fahren, doch sie lehnte entschieden ab. Sicherlich hat sie Angst davor das die Polizei eingeschaltet werden könnte.
Als ich nun dort am Rande der steilen Bergstraße stand und sie durch den Regen davonstolpern sah, fühlte ich mich irgendwie völlig im falschen Film. 
Aber es war die Realität und nun musste ich endlich herausfinden was es mit den Stimmen und dem aufgeregten Mann auf sich hatte.
Als ich schwitzend oben ankam sah ich wieder dieses tückische Schwarzlicht die Räume durchfluten. Schon vom Fenster aus starrten mich die kaum Coladosen-großen Giftbüchsen mit dem fies grinsenden Totenkopf darauf an. Sofort wusste ich, hier war keiner mehr. Mein Blick fiel plötzlich auf die flüchtenden Kakerlaken um mich herum, die, mal stolpernd, mal am Boden kriechend das Haus verließen. Manche drehten sich auf der Stelle, andere lagen die Beine in die Luft gestreckt auf dem Rücken und kämpften ihren letzten Kampf. Diese Todesstimmung ließ mich intuitiv fragen, ob wir Menschen wirklich all diese kleinen Tiere so qualvoll sterben lassen müssen.
Aber ich wollte der Sache auf den Grund gehen. Mit der immer griffbereiten Smogmaske bewaffnet und mit gehörigem Respekt betrat ich nun von oben das Haus. Ich schrie in die Stille hinein, doch niemand antwortete mir. Ich zuckte zusammen als unten plötzlich ein altes Telefon schellte. Doch da mir der Qualm so sehr in den Augen brannte und das Haus nun wirklich völlig menschenleer zu sein schien, ging ich schnell wieder ins Freie. Beinah wäre ich hier auf eine mindestens Daumen-große Kakerlake getreten, die den Kampf gegen das starke Gift noch nicht verloren hatte und sich mühsam vorwärts schleppte. Der Anblick dieser leidenden Kreaturen erweckte in mir ein Gefühl von Ärger und Mitleid zugleich. Doch als ich sah, wie dieses ausgewachsene Exemplar sich plötzlich an mein Hosenbein klammerte, schwand jedes Mitgefühl und es landete im hohen Bogen im Steinhaufen gegenüber.
Kurz darauf kamen meine Kollegen zurück. Der Wind hatte jedoch unsere Außentür zugeschlagen und natürlich hatte wieder einmal niemand einen Schlüssel. Also musste ich wohl oder übel noch einmal komplett durch unser völlig vernebeltes Geisterhaus um die Türen unten von innen zu öffnen. Dabei sah ich die ganzen Mücken, Motten und Käfer auf den Boden verstreut regungslos daliegen.

Sie betraten das Haus, öffneten 2 von 6 (!) Fenstern, und fingen sofort an aufzuräumen und zu putzen. Schnell hob ich unsere Schiebetür aus den Angeln und öffnete die Fenster um so viel Frischluft wie möglich hereinzulassen.
Später beim Saugen kam noch 3 Mal die Sicherung, doch gebrannt hat Dank sei Gott diesmal nichts. Das Schwindelgefühl verschwand nach einem Weilchen, doch dieses seltsame Brennen in meiner Kehle hielt noch an bis zum nächsten Morgen. Fast unwirklich schien es mir als nur wenige Stunden später wieder die Kinder genau an dem Ort spielten, vor kurz zuvor noch das Gift ausgelaufen war. Es wurde nur einmal kurz gesaugt und durchgewischt und das wars. Später sagte mir jemand das das Haus hier alle paar Monate evakuiert und dann eingegiftet wird. Hoffentlich sind die Kinder schon dagegen resistent dachte ich. Doch diese streiteten und spielten wie eh und je und machten nicht das geringste Anzeichen von irgendetwas Besonderem. Später fand ich noch in hinteren Räumen einige weitere Giftdosen, die ich dann schnell entsorgte. Ich bin froh das ich sowas in Deutschland noch nicht gesehen habe, bin mir aber sicher das es das auch gibt, wenn auch nur in abgeschwächter Form.
Die abhängige Frau sah heute (einen Tag darauf) übrigens schon wieder viel besser aus, nur ihre Stimme brauch wohl noch etwas länger um sich zu erholen.

Liebe Grüße und Gottes Segen aus dem frühlingshaften Taiwan! =o) 
Euer MazBasti ><>

Dienstag, 18. Oktober 2011

Der Alltag

Chinagong als "Glöckchen" in der Heiligen Messe. Mächtig gewaltig!
Ich möchte diesmal etwas mehr zu meiner Arbeit sowie meinem Alltag schreiben. Dabei muss ich mich sehr bemühen nur Dinge zu sagen, die nicht unter Datenschutz stehen. Denn die aidskranken oder HIV-positiven Menschen hier in Taiwan unterliegen einer ähnliche Diskriminierung wie damals vor 2000 Jahren die Aussätzigen in Israel. Man muss sich das so vorstellen: Ein Neugeborener hat einen kleinen Tumor am Hals, weil die Mutter schwer drogenabhängig ist. Beide sind HIV-positiv. Da die Ärzte das wissen, verweigern sie die eigentlich einfache Operation die nötig wäre den Tumor zu entfernen. Nun liegt der mittlerweile ca. 4 Monate Alte fast gelähmt mit verkrümmter Wirbelsäule in seinem Kinderbett und weint und schluchzt die ganze Zeit, ringt um Atem oder schläft.
Ein anderes Beispiel: Ein erwachsener Aidskranker soll geröntgt werden. Natürlich weiß jedes medizinisch gebildete Personal, dass sich der HI-Virus nur über Blutkontakt und Körperflüssigkeiten (Speichel ausgenommen) übertragen kann. Dennoch traut sich keiner in dem Krankenhaus den Kranken auch nur zu berühren! Unser eigenes Personal musste kommen um ihn in die Röntgenposition zu bringen!
Letztes Beispiel: Ein kleiner Junge (7 Jahre) kommt hier in die 1. Klasse. Die Lehrer erfahren aus seinen Unterlagen das er aus Harmony Home (meinem Projekt) kommt. Sie wissen das das irgendwas mit Aids zu tun hat und was machen sie? Sie schmeißen den Jungen sofort raus aus der Schule!
Aus Angst vor den Eltern der Mitschüler (und aus eigener Angst denke ich)! Da haben wir natürlich Druck gemacht, denn der Junge hat ein gesetzliches Recht auf Bildung. Nun sitzt er die meiste Zeit in einem menschenleeren Aufenthaltsraum und muss alleine irgendwelche Aufgaben lösen. Nach der Schule wird er von einem Lehrer persönlich bis zur Pforte begleitet, wo ich ihn dann umarme und aufs Fahrrad setze. Das ist Diskriminierung pur! Natürlich versteht das der Kleine nicht und ist dementsprechend verwirrt und gereizt den ganzen Tag.
Zum Glück hat meine Chefin jede Menge Einfallsreichtum um den Betroffenen irgendwie zu helfen. Ich muss da immer staunen. Seit 2 Tagen darf der Kleine nun auf einmal regulär am Unterricht teilnehmen. Warum? Das weiß keiner so ganz genau... ;)

Nun zu meinem Alltag. Ich lebe immernoch in der recht geräumigen Wohnung vom Anfang. Zusammen mit einem sehr stillen 15-jährigen Koch-Azubi der auch Kung Fu macht (also mir sehr ähnlich ist), und 1 - 2 kleinen Kindern (6-10 Jahre). Um 5h muss ich aufstehen um das Frühstück für die beiden zu zubereiten. Da gibt es entweder Rührei mit Reis, eine Herzhafte chinesische Tütennudeludelsuppe oder (ganz europäisch) einfach Sandwich.
Einer von beiden bekommt früh und Abend seinen Medikamentencocktail aus mind. 3 verschiedenen Bestandteilen verabreicht, um die HI-Virusmenge im Blut so gering wie möglich zu halten und den Ausbruch von Aids (allgemeine Immunschwäche) so weit wie möglich nach hinten zu verschieben.
Die kleinen Kerlchen aufzuwecken dauert ganze 10min oder länger. Denn natürlich wollen die nicht aufstehen und zur Schule gehen. Da bedarf es schon jeder Menge Geduld und Einfallsreichtum meinerseits. Leider habe ich beides (noch) nicht, haha. Aber ich arbeite dran. ;)
Nachdem beide gegen 7.30h in der Schule sind, muss ich die Wohnung putzen. Ich hätte nie gedacht, dass Kinder derartige Schmutz-Produzenten sind! Aber der 16jährige auch! Letztens hat er mit unseren Daunenkissen als Zielscheibe seine Wurfmesser-Technik verbessert als ich nicht da war! Ein unglaubliches Federmeer war das Ergebnis. Der halbkaputte Mini-Staubsauger ohne Beutel (!) hatte da ganz schön damit zu kämpfen.
Danach habe ich Zeit bis kurz vor 12 Uhr. Hier treffe ich manchmal meinen taiwanesischen Tandempartner, der Dank sei Gott sehr gut Deutsch, Englisch und Chinesisch kann, gehe einkaufen oder mache Sport.
Danach hole ich den 7j. von der Schule ab. Das klingt einfach, bedeutet aber, dass ich irgendwie versuchen muss ihn davon zu überzeugen auf meinen (wirklich bequem gepolsterten!) Gepäckträger zu steigen. Er will irgendwie immer mit Taxi fahren. Natürlich geht das nicht. Durch meine noch immer äußerst schlechten Sprachkenntnisse hört sich unsere fast tägliche Konversation ungefähr so an:

Junge(J): (schreit) Ich will nicht mit dem Fahrrad fahren!! Ich will ein Taxi!
Ich(I): Taxi nix Geld. Fahrrad!
J: Taxi! Taxi! Taxi!
I: Du haben Geld Taxi?
J: Nein! Du sollst das Taxi bezahlen!
I: Aber Fahrrad dort!
J: (schreit nur)
I: (motivierend) Du Supermarkt Essen kaufen! Wir zusammen!
J: Hab keinen Hunger!
I: Trinken kaufen!
J: Hab kein Durst!
I: Was willst kaufen?
J: Taxi!!!
[...]
Der Junge mag keine Fotos, deshalb schaut er weg. ;)

Tja, was ich dann mache? Das selbe System anwenden, was auch die Tanten auf Arbeit tun. Langsam bis 3 zählen, und wenn er dann nicht mitkommt ihn anbrüllen. Dann kommt er. Schreiend. Ich mag das gar nicht, aber leider sind die Kinder hier damit groß geworden und reagieren fast nur darauf. Wenigstens schlage ich sie nicht mit den Kleiderbügeln wie es andere tun.
Ich fahre dann irgendwann mit dem Jungen (plus Ranzen) auf dem Gepäckträger, meinem (immer schweren) Rucksack am Lenker und einem 2. Fahrrad in einer Hand (was nur rückzu gebraucht wird) zum großen Haus.
Hier gibts dann Mittag. Reis ist immer dabei und die Grundlage. Dazu kommt viel zu weich gekochtes Gemüse, manchmal Meeresfrüchte, immer tollen Fisch und manchmal etwas Fleisch. Allerdings meist die Teile, die wir in Europa eigentlich nur für Suppen oder gar nicht verwenden würden. Ich habe letztens z.B. Hahnenkamm und Hühnerfüße (ja, die Füße!) gegessen ... mir wird jetzt noch schummerig. War halt total glibberig, aber ausreichend mit Knoblauch gewürzt, sodass es auch schmeckte. Nur die vielen Knöchelchen und die Krallen an den Füßen störten irgendwie beim Essen. lol.
Nun kommen 2 entspannte Stunden, da hier im großen Haus nur die Windelkinder da sind und die meisten von denen gerade Mittagsschlaf halten. Dann putze ich meist irgendwas oder ruhe mich auch mal kurz mit aus.
Spätestens ab 15.30 Uhr beginnt dann die anstrengende Zeit des Tages. Denn dann sind nicht nur die Kleinen wieder wach, sondern die ganzen älteren Kinder (bis ca. 12 Jahre) kommen aus der Schule zurück. Wir sind dann ca. 20 - 40 Kinder (keine Ahnung wo die fehlenden immer sind) und ca. 4 - 8 Betreuer. Von diesen sind die meisten mehr oder weniger drogenabhängig, selber aidskrank oder Immigrationsfälle. Letzteres bedeutet sie werden nur in Taiwan geduldet, wenn sie in einem sozialen Projekt leben und mitarbeiten. Das Amt kontrolliert monatlich ob sie noch da sind. Letztens sagte mir eine von denen, wenn sie in ihr Land zurückkehren würde (Inseln in der Nähe, die ich ihr zu liebe nicht benennen will), würde sie und ihre Familie in große Schwierigkeiten geraten. Sie hatte wohl auch keine so saubere Vergangenheit dort...

Ungefähr 4 Tage altes Neugeborenes einer netten, aber psychisch kranken Rotlichtarbeiterin.
Jetzt tue ich Windeln wechseln, den Kleinkindern ihr Fläschchen geben (immer Pulvermilch, weil wird nicht so schnell schlecht), den Größeren beim Hausaufgabenmachen zuschauen und danach mit ihnen herumtollen und generell aufpassen, dass sich die Kinder nicht attackieren. Da sie selber manchmal von den Tanten geschlagen werden, herrscht hier leider eine ziemlich hohe Gewaltbereitschaft unter den Kleinen. Und in dem täglichen Chaos um diese Uhrzeit, lässt es sich schlecht auf alle gleichzeitig aufpassen. Da kommt es leider schon mal vor das jemand verletzt wird und etwas blutet. Darauf sind dann alle Betreuer äußerst allergisch. Denn Kinder sind sich natürlich der Gefahr der HIV-Übertragung überhaupt nicht bewusst.
Allerdings wird hier schon sehr auf Sauberkeit geachtet finde ich. Der Fußboden wird mind. 3x täglich auf Knien mit der Hand gewischt, ständig wird gesaugt und gefegt und überall findet man Hand-Desinfektionsmittel.
Hin und wieder bade ich dann auch mal ein Kind wenn dieses das zulässt. Wenn das Kind gerade nicht will, dann nützt auch kein Anbrüllen und nichts. Es wehrt sich dann mit Händen und Füßen und bläkt in einer derartigen Lautstärke, dass ich verzweifelt aufgeben und diesen Job den Tanten überlassen muss. Obwohl ich ja doch so gerne mithelfen möchte!
Nach dem Abendbrot gebe ich einem kleinen halbgelähmten Jungen (ca. 6 Jahre) etwas Physiotherapie. Er kann sich zwar bewegen, aber immer nur sehr langsam und seine Füße sind steif. Natürlich mag er das Dehnen nicht, deshalb benutze ich dabei manchmal seine Füße wie ein Mikrophon und singe ihm irgendwelche Schlager vor, die er sowieso nicht versteht. Richtig gut kommt hierbei z.B. der Refrain von "The Boxer" von Simon und Garfunkel an. "Lei le lei!! *Dufffff* Leileleileileileilei..." =)

Gegen 19.30 Uhr fahre ich dann mit einem 10jährigen und meinem Kleinen auf dem Gepäckträger wieder die ca. 20min zu meiner Wohnung. Hier angekommen wird erstmal lange Fange gespielt, wobei der Gefangene ersteinmal so richtig durchgekitzelt wird. Das ist ganz schön anstrengend, aber sehr lustig. ;)
Die letzte große Herausforderung des Tages ist die Kinder dann gegen 21 Uhr zum Schlafen zu bringen. Das kann sich bis zu einer Stunde aus Spaß, ernsten Worten, Drohungen und Schimpfen hinziehen.

Das ist mein Tagesablauf. Allerdings ändert sich hier sowieso vieles täglich, deshalb ist immer ein hohes Maß an Flexibilität und Offenheit gefragt. Generell macht mir die Arbeit eigentlich schon Spaß, bringt mich aber auch beinah täglich an meine absoluten Geduldsgrenzen. Aber das ist ein guter Teil von genau der Herausforderung, die ich gesucht habe. Deshalb versuche ich damit zufrieden zu sein. Wenn ich jetzt noch die Sprache sprechen könnte, geduldiger wäre, mehr Freizeit hätte und die Kinder lieber wären, könnte ich schon fast sagen ich bin zufrieden. Aber dafür habe ich ja noch beinah ein ganzes Jahr Zeit! ;o)

Montag, 12. September 2011

Ernüchterung kam schnell

Diesen Text habe ich ca. 5 Tage nach meiner  Ankunft hier geschrieben(ca. 16.8.11) :
Also nur ganz kurz vorneweg, ich habe Dank sei Gott ein Besuchervisum ganz knapp vor der Ausreise bekommen können, kann mit diesem aber wohl nur 2 bis maximal 6 Monate hier bleiben. Die Reise verlief soweit sehr gesegnet. Selbst auf dem London Airport durfte ich meinen Anschlussflug nach Hong Kong gerade noch so rennend bekommen. Denn wir kamen erst verspätet an und somit hörte ich schon den letzten Aufruf zu meinem Flug als ich noch nicht einmal in der Sicherheitskontrolle war! ;o)
Zuerst durfte ich 2 Tage in einem sehr noblen Hotel der Steyler Missionare (die hier lateinisch einfach mit SVD abgekürzt werden) wohnen. Dann kam ich vor 2 Tagen zu meinem eigentlichen Standort. Eine Wohnung von Harmony Home. Nur ca. 15 min mit dem Fahrrad von meinem Arbeitsplatz entfernt. Ich bekam übrigens auch schon vorher meinen chinesischen Namen: Shen si ting, wobei Shen mein Nachname darstellen und sich irgendwie auf Sebastian Simros beziehen soll. ^-^
Leider kam meine generelle Ernüchterung schon sehr schnell. Mein halbjähriger Sprachkurs, das Sprachtandem, sowie das (gefühlt) ständige Ohrstöpsel-Chinesischlernen haben anscheinend fast gar nichts gebracht. Denn Kommunikation ist im Prinziep hier fast nicht möglich. Nur wenige Menschen können Englisch.
Zur Zeit arbeite ich mit knapp 20 Kleinkindern (ca. 0-3 Jahre alt) die teils AIDS haben, oder familiär davon betroffen sind. Viele haben durch diese Krankheit z.B. ihre Eltern verloren, oder diese sitzen im Gefängnis oder sind drogenabhängig oder psychisch krank. Ich habe noch nie zuvor mit so vielen und derart lauten Kindern gearbeitet. Das geht unglaublich an die Nerven, gerade weil man hier auf Arbeit keine Pause macht. Man arbeitet seine 9-10 Stunden einfach durch. Beziehungsweise viele der Tanten leben in dem Harmony Home und sind damit rund um die Uhr im Dienst. Die Sichtweise hier ist so, dass man sich ganz mit dem Projekt und der Arbeit identifizieren muss.
Naja, daran muss ich mich noch gewöhnen. Genauso wie an die ungelogen Daumengroßen Kakalaken in Küche und Waschmaschiene. Ich weiß nicht, was von beiden länger dauern wird. ;) Aber jede Anfangszeit ist schwierig und das war ja bis jetzt schon immer so. Ich staune nur, dass ich doch tatsächlich ganz schön lange überlegen muss, warum ich mir bei gefühlten 38° und tatsächlichen 80-90% Luftfeuchte das alles hier antue. Haha, aber das ist halt erst er Anfang! Es wird schon noch besser werden! :)
Ganz liebe Grüße, euer MazBasti

Samstag, 13. August 2011

Ohne Visa keine Einreise!

Liebe Freunde, Spender, Angehörige und Mit-MaZler,

Dies soll mein erster kurzer Rundbrief sein, den ich noch auf der 
Rückfahrt von unserem Ausreiseseminar in Holland am 31.7.11 schreibe. 
Sprich ich bin zwar noch in Deutschland, wurde aber in den vergangenen 2 
Wochen zusammen mit 15 mit-MaZlern (andere "Missionare auf Zeit" aus der 
BRD und aus Österreich) auf unsere bevorstehende Ausreise vorbereitet.
In Steyl (NL), dem Geburtsort meiner Entsendeorganisation Steyler 
Missionare haben wir uns intensiv mit Themen wie Kulturschock, AIDS, 
Mission im Wandel der Zeit, Gott und unsere Sendung, sowie mit unserer 
eigenen Identität befasst.
Spannend waren vor allem 2 Exerzitientage gewesen. Hier sollten wir 
versuchen ganz bewusst auf jegliche Kommunikation zu verzichten. Kurze 
Andachten und Impulse begleiteten uns über den Tag, aber gesprochen 
wurde fast überhaupt nicht. Naja, wer mich kennt kann sich vorstellen 
wie schwer mir das fiel. Aber jetzt im Nachhinein kann ich sagen das das 
wirklich total spannend war! Ich habe lange nicht mehr einen so klaren 
Kopf für alle möglichen Gedanken gehabt. Und irgendwie hatte ich das 
Gefühl, dass ich viel leichter beten konnte. Das war schön. :)
Einer dieser Tage war ein sgn. Wüstentag. Das bedeutet wir sind ohne 
Karte und ohne Kommunikation, nur mit einem Lunchpaket und einem kleinen 
Briefumschlag mit Impulsfragen bewappnet losgezogen und sollten sehen, 
was der Tag so bringt und mit uns macht. Wer sowas noch nie gemacht hat, 
dem kann ich das wirklich empfehlen! Vor allem das Schweigen bietet 
total viel Potential in sich! (Ich hätte nie geglaubt, dass ich das mal 
sagen würde!) Ich glaube ich habe mich selber dadurch ein Stückchen 
besser erkennen können und mich innerlich viel weiter auf meinen am 11. 
August beginnenden Einsatz vorbereiten.
Ach ja, falls der dann denn nun überhaupt beginnt, denn meine Chefin aus 
Taiwan schrieb mir vorgestern Nacht so ganz spontan: "Hey, Sebastian, 
also ich hab mich geirrt, du solltest dir doch mal lieber ganz schnell 
ein Visum zulegen, denn sonst darfst du gar kein ganzes Jahr hier 
bleiben!" Naja daraufhin habe meine lieben Eltern und ich jetzt gerade 
alles in Bewegung gesetzt und zig Leute kontaktiert um dieses Visum so 
schnell wie möglich zu bekommen. Das dauert (Postlaufzeit einbezogen) 
mindestens 7 Tage. Naja, in 10 Tagen ist die Ausreise.... Ansonsten 
müsste ich wohl nochmal nach Hong Kong zurückfliegen und bei den 
dortigen Steylern anfragen damit die mir helfen könnten ein neues Visum 
zu beantragen.

Soweit der Plan. Ansonsten geht es mir gut und ich bin immer noch mehr 
oder weniger fleißig am Chinesischlernen. Mein einziger großer 
Wehrmutstropfen ist meine liebe liebe Freundin, die ich ja eigentlich so 
überhaupt nicht gern hier zurücklassen will. Aber so geht das uns nun 
einmal in der Jugendzeit und wir werden auch hoffentlich bald lernen 
damit zu leben. :/

Ich danke allen Spendern und Betern für ihre großzügige Unterstützung 
und bitte euch alle für uns Mazler zu beten!

Ganz liebe Grüße,
MazBasti